Mangelbewusstsein

Vor ein paar Tagen, im Kreise einiger Rohköstler, veganer und nicht-veganer, kam mal wieder das Thema B12 auf. Genauer gesagt: die ewige Angst einiger Menschen vor einem Mangel, verursacht durch vegane Ernährung.

Ich teile diese Angst nicht. Auch ich habe selbst sehr ernsthafte Fälle miterlebt; diagnostiziert als B12-Mangel und erfolgreich therapiert durch die Gabe von B12-Präparaten. Offensichtlich können schwierige Lebensumstände auch vegane Rohköstler in solche Situationen bringen; möglicherweise auch gerade vegane Rohköstler, da diese Ernährungsweise unter anderem durchaus die Sensibilität gegenüber so vielen naturfremden, jedoch in unserer Welt als normal angesehenen Belastungen, erhöht. Und zweifellos mag es in akuten Fällen sinnvoll sein, zunächst einmal durch die Gabe von Supplementen rettend einzugreifen. Spätestens danach jedoch gilt es, herauszufinden, was denn falsch gelaufen ist. Was war zu viel, schädlich, zu belastend? Wie finde ich zu einem harmonischen Leben, einem gesunden Gleichgewicht zurück, welche gesundheitsschädlichen Belastungen haben mich in diese Situation gebracht und wie entferne ich sie aus meinem Leben? B12 wächst nicht als Injektion oder Tablette auf Bäumen und die Natur kann keinesfalls so unperfekt sein, dass sie uns bei artgerechter, natürlicher Ernährung nur mit pharmazeutischer Hilfe überleben lässt.

B12 wird nicht von Tieren produziert, sondern von Mikroorganismen. Andere Tiere zu töten und zu essen ist somit auch unter diesem Aspekt weder sinnvoll noch notwendig. Sinnvoll ist es hingegen, möglichst naturbelassen, unverarbeitet, unbehandelt, natürlich, wildwachsend, ungewaschen, mit Schale … zu essen. Dein Körper produziert selbst B12 und du musst keineswegs (wie manchmal behauptet wird) deinen eigenen Kot essen um davon zu profitieren: B12 befindet sich überall, auch auf deiner Haut und in deinem Speichel.

Die Einnahme isolierter Präparate reduziert die Fähigkeit des Körpers, die Vitalstoffe selbst aus der Nahrung aufzunehmen. Dauerhafte Supplementierung schafft somit erst Probleme, statt welche zu beheben.

Eines der Symptome beim B12-Mangel ist Appetitlosigkeit. Vielleicht sollte dies genau so interpretiert werden, wie es sich darstellt: kein Appetit = nicht essen. Fasten. Es gibt Untersuchungen, bei denen ein diagnostizierter B12-Mangel durch mehrtägiges Fasten geheilt wurde. Meiner Meinung nach wird das Problem nicht durch Mangel, sondern durch Überlastung hervorgerufen.

Darüber habe ich hier schon einmal im Artikel „Zu wenig oder zu viel?“ geschrieben.

Zu wenig oder zu viel?

Roh-vegane Kost ist wunderbar geeignet, dich mit allen Nährstoffen, die dein Körper braucht zu versorgen! Dennoch taucht da immer wieder die Sorge vor Nährstoffmängeln auf. Sei es Protein, Calcium, B12, Omega 3 … es gibt so viele widersprüchliche Informationen dazu, nicht wenige davon motiviert vom materiellen Interesse des Informierenden, der NEMs, Fisch, Superfoods oder was auch immer verkaufen möchte.

Zu Protein und Calcium habe ich hier schon viel geschrieben. Warum ein B12-Mangel durch eine rohe vegane Ernährung absolut nicht zu befürchten ist, kannst du in dem hier zitierten Artikel nachlesen. Und hier, was es mit Omega 3 und überhaupt den essentiellen Fettsäuren auf sich hat.

Mit roh-veganer Ernährung bist du also bestens versorgt! Warum gibt es dennoch immer wieder mal Fälle von Mangelzuständen? Und wie lässt sich einem Mangel, sollte er tatsächlich auftreten, am besten entgegenwirken?

Der medizinische Ansatz ist klar: du hast einen (z. B.) B12-Wert unterhalb des schulmedizinisch definierten Rahmens? Supplementieren! Egal, ob dieser Wert tatsächlich ein Problem darstellt, du also unter irgendwelchen Befindlichkeitsstörungen leidest.

Der natürliche Ansatz beim Auftreten welcher Störungen auch immer sieht anders aus. Es geht nicht darum, irgendwelche Symptome zu behandeln. Es gibt einen natürlichen Zustand und der heisst Gesundheit! Um diese Gesundheit zu erhalten ist genau dasselbe nötig wie um sie im Krankheitsfall wiederzuerlangen. Es gibt Bedingungen, Substanzen, Einflüsse, die im richtigen Maße gut für dich sind & deine Gesundheit erhalten. Das richtige Maß kann hierbei variieren – manchmal brauchst du mehr Schlaf, manchmal weniger, aber du brauchst immer Schlaf. Ebenso natürliche, naturbelassene Nahrung, Sonne, Freude, Bewegung, menschliche Nähe, Austausch usw. Wenn irgendetwas an deinem Befinden nicht stimmt, sind diese Bedingungen nicht richtig erfüllt.

Um wieder zu der Frage des Umgangs mit einem Mangel zurückzukommen: Dr. Graham hat es in einem Interview mal mit diesem Bild beschrieben: stell dir einen Eimer vor, da ist ein Loch drin & deshalb kein Wasser. Die Schulmedizin sagt: Wasser nachfüllen! Die Natur sagt: Loch schließen!

Ich glaube, dass die Ursache eines „Mangels“ eher in einer Überlastung zu sehen ist, ein Mangel also nicht durch ein Zuwenig sondern ein Zuviel zustande kommt. Zuviel Stress, zu viele Umweltbelastungen (Kleidung, Körperpflege, Wohngifte, Abgase, Pestizide, Strahlung usw.). Beim Essen: zu viel und/oder das „Falsche“. Beides durchaus auch möglich mit roh-veganer Ernährung: ungünstige Kombinationen oder ein Übermaß an überzüchteten Früchten ohne Ausgleich durch Wildkräuter. All das kann den Körper so sehr belasten, dass er in ein Ungleichgewicht oder gar einen Mangelzustand gerät. Die Lösung hiesse in diesem Fall also nicht, noch mehr (wovon auch immer) zuzuführen. Sondern im Gegenteil: zu entlasten, sich Ruhe zu gönnen, zu fasten.

Im eben schon erwähnten Interview berichtet Dr. Graham von Menschen, die ihren B12 Mangel mit Fasten behandelt haben – und 3-4 Wochen später einen super B12 Wert hatten! B12 wird von Bakterien produziert (nicht von irgendwelchen Tieren), und es ist überall – in der Luft, auf deinen Schleimhäuten: jedesmal wenn du deinen Speichel schluckst, schluckst du B12! Es ist kein Problem der Aufnahme, sondern der Verwertung. Gib deinem Körper die Chance, seine Nahrung optimal zu verwerten statt ihm beständig zuviel zuzumuten.