Mutig sein

Immer wieder, wenn ich etwas schreibe um es zu veröffentlichen, oder ein Video aufnehme, immer wieder wenn ich da raus gehe in die Welt, Menschen treffe, mich zeige, begegne ich meiner Angst. Mal mehr, mal weniger, je nach Kontext. Je nach Thema. Und je nachdem, wie sehr ich in meiner Mitte bin.

Und immer wieder tue ich es trotzdem. Mich gegenüber anderen Menschen, meinen anderen Ichs, mir selbst, richtig zu zeigen. Mit allem, was ich gerade in mir sehe – und vor allem dann, wenn ich gerade mehr von meinen „Schatten“ sehe als von meinem Licht. Das erfordert oft viel mehr Mut als viele der anderen Dinge, die ich in meinem Leben so tue, und für die mir von anderen so oft Mut bescheinigt wird. Auswandern mit Kindern & Rucksack z. B. Oder heimatlos leben. Sowas.

Wie Sarah Lesch es singt:
„Ich hab Angst vor meiner Freiheit,
ich hab Angst, die Wahrheit zu sagen.
Denn ich hab Angst, mich richtig zu zeigen,
ohne Mauern und Heiligenschein.

Aber Mut heisst nicht, keine Angst zu haben.
Mut heisst nur, dass man trotzdem springt.“

In jedem Fall hab ich es noch nie bereut, trotzdem gesprungen zu sein. Meine Angst zu überwinden. (Bereut habe ich die Gelegenheiten, bei denen ich es nicht getan habe. Mich von meiner Angst habe aufhalten lassen. Was auch häufig genug passiert ist.)

Ich möchte dich bestärken, mutig zu sein. Es braucht keine großen Taten, um deine eigene Heldin, dein eigener Held zu werden. Spür deine Angst, sieh sie dir an, aber lass dich nicht von ihr aufhalten. Vertraue. Dir. Dem Leben. Und all den anderen da draußen. Sie sind nichts anderes als du, Spiegel deines Inneren.

Versuch, dich davon zu lösen, alles kontrollieren zu müssen. Verliebe dich ins „Nicht-Wissen“. Du weisst sowie nicht, was passieren wird. Selbst wenn du dir einbildest, du wüsstest es. Höre auf dein Herz, deine Intuition, deine innere Führung. Und tu den ersten Schritt. Auch wenn du noch nicht weisst, wie der zweite aussehen wird.

Wenn du im Auto unterwegs bist, folgst du den Anweisungen deines GPS. Eine nach der anderen. Sagt es dir, du sollst abbiegen, dann tust du das, ohne zu wissen, was danach kommt. Du vertraust darauf, dass es dir den nächsten Schritt dann schon ansagen wird. Genauso funktioniert es mit deiner Intuition.

Wenn es dir so geht wie mir und du mitunter das Gefühl bekommst, die Verbindung mit deiner inneren Führung zu verlieren – weil der Verstand dazwischen funkt, alte Glaubenssätze & Erwartungen, das Ego, oder du dich von den Gedanken & Ängsten deiner Umwelt durcheinander bringen lässt – was auch immer. Was tun, wenn du dich in solch einer Situation wiederfindest? Deine innere Stimme nicht hörst, die Zeichen nicht sehen kannst, oder nicht verstehst? Zerrissen bist und nicht weisst, was von deinem Herzen kommt & was aus deinem Kopf? Was dann?

Don’t worry. Mit der Erkenntnis, dass du durcheinander bist & den Weg grad nicht siehst, bist du schon wieder auf dem richtigen Weg. Bewusst unterwegs. Geh einfach weiter, ruhig, langsam. Achtsam – bei allem, was du tust und denkst. Atme. Vertraue. Lass los. Gib dir Zeit. Erwarte die Ansage für den nächsten Schritt. Und dann tu ihn!

Hab Mut & vertrau dir & dem Leben – es wird dich nicht im Stich lassen. Niemals.

Wu Wei & ein Tag in Stille

Der Begriff „Wu wei“ (chinesisch) stammt aus dem Daoismus & bedeutet Nichthandeln im Sinne von „Enthaltung eines gegen die Natur gerichteten Handelns“. (danke an wikipedia für die Erklärung und danke an Clemens (aufmerksamen Leser*innen bekannt aus seinen inspirierenden Kommentaren hier im Blog 😉 ) für diesen Beitrag zu meinem Wortschatz.)

Dao oder Tao heisst wörtlich übersetzt Weg. Daoismus ist also die Lehre vom Weg. Dao ist der Ursprung und das Wirkungsprinzip. Aus dem Dao ist alles entstanden, zum Dao geht alles zurück. Dieses Prinzip ist – wie alle spirituelle Erkenntnis – intellektuell nicht wirklich erklärbar. Doch du hast das Verständnis dafür in dir, du kannst es erfassen, wenn du still wirst & in dich hineinhorchst.

Im Daoismus wird davon ausgegangen, dass es nicht weise ist, in dieses Prinzip einzugreifen. Wu Wei eben. Nichthandeln. Das bedeutet allerdings nicht, dass du gar nicht mehr handeln sollst 😉 … sondern dass die Handlungen spontan, aus dem Fluss (flow), aus der Situation heraus, entstehen. Intuitiv. Ohne ein Eingreifen des dualistischen Verstandes. Kreative Passivität beschreibt es recht schön, Handeln durch Nicht-Handeln, oder auch Nicht-Eingreifen.

In meinem Alltag praktiziere ich Wu Wei z. B. (ahnungslos 😉 ) seit 11 Jahren – indem ich meine Nahrung überwiegend so belasse, wie die Natur sie mir schenkt. Nicht-Kochen 😉 . Ebenfalls Wu Wei ist für mich, nicht zu versuchen, „Krankheiten“ von außen zu heilen. Sondern den Körper seine Arbeit machen zu lassen. Oder die Seele ihre … denn viele (vielleicht alle?) Krankheiten des Körpers lassen sich auf seelische Ursachen, auf ein Nicht-Leben dessen, was unser Herz wirklich will, zurückführen.
Ebenfalls praktiziertes Wu Wei ist für mich der Weg des Zusammenlebens, den ich mit & mit Hilfe „meiner“ Kinder gefunden habe. In deren natürliche Entwicklung nicht mit Erziehung, Schule & anderen Zwängen einzugreifen, sondern sie einfach wachsen, lernen, sein zu lassen.

Unser Alltag – zumindest der der meisten von uns – ist so sehr von in den Fluss eingreifenden, ihn unterbrechenden Handlungen geprägt. Wir folgen wenig achtsam unseren Arbeits- & sonstigen Plänen, den Vorstellungen unseres Verstandes, und missachten dabei allzu häufig die Signale unseres Körpers und unseres Herzens, lenken uns – unbewusst oder absichtlich – davon ab … denn so häufig sagen uns diese Signale auf mehr oder weniger schmerzhafte Weise, dass wir nicht wirklich das leben, was unsere Seele möchte.

Wie oft hörst du wirklich hin, in dich hinein? Und tust das, was dein Körper oder dein Herz in diesem Moment gerade verlangt? Folgst der Erschöpfung und ruhst dich aus? Folgst dem Gefühl in deinem Bauch und isst nur genau dann, wenn dein Körper wirklich nach Essen verlangt? Folgst der Freude & tust einfach das, was dich in diesem Moment gerade glücklich macht?

Und ja, ich weiss selbst, dass das in einem Alltag, mit Familie, Job und anderen Verpflichtungen nicht einfach ist. Doch meiner Erfahrung nach wird es im Laufe der Zeit immer schwieriger, NICHT hinzuhören. Nicht deinen wirklichen Herzenswünschen nach zu handeln.

Alles fühlt sich so viel leichter an, im Fluss eben, freudiger, wenn du dir selbst folgst. Es ist, zumindestens für mich, ein ewiger Tanz, um in Balance zu bleiben, im Gleichgewicht mit mir. Im Flow. Doch auch dieser Tanz (ein Schritt aus dem Fluss & wieder hinein) ist irgendwie ein Teil des Fliessens, des Weges. Ich genieße ihn & er ist um so leichter & freudiger, je mehr ich meine eigene Unvollkommenheit annehme.

Kürzlich habe ich mich für einen Tag des Überhaupt-Nicht-Handelns entschieden. Einen Tag in Stille. Ein Tag nur mit MIR. Schweigen. Nur sein. Keine Kommunikation (Sprechen, Augenkontakt, Berührungen, Lesen, Internet/Computer/Smartphone). Die Vorbereitungen waren einfach: ich habe meinen Plan meinen Mitbewohnerinnen hier auf dem Grundstück angekündigt & darum gebeten, in Ruhe gelassen zu werden. (Was kein Problem war; sie haben sich der Idee sofort angeschlossen 😉 ) Den Stecker vom Router gezogen & das Telefon in den Flugmodus geschaltet (der Uhrzeit wegen hab ich es angelassen, und einmal am Abend hab ich kurz geschaut, um mich zu vergewissern, dass da keine Notfallnachricht von den Kindern oder anderen Lieben war.). Weniger gelungen war vielleicht das Timing: es war eine recht spontane Aktion, und insofern besonders herausfordernd. Ein Tag mittendrin, nach Tagen voller Computerarbeit (die noch nicht beendet war) und direkt vor einem Marktwochenende (für das noch so Manches vorzubereiten war).

Wie es war? Ich habe mehrere Stunden gebraucht, sicher bis in den Nachmittag hinein, um zur Ruhe mit mir zu kommen. Ich war so voller unruhiger Energie. Dem Gefühl/Gedanken, doch etwas TUN zu müssen. Ich wusste, dass ich mich um die Café-Vorbereitungen erst am nächsten Tag kümmern musste; dennoch fiel es mir schwer, nicht dauernd darüber nachzudenken. Ich habe mich hingelegt, in der Sonne, im Schatten, bin wieder aufgesprungen, hab ein bisschen Yoga gemacht, geatmet … versucht mich zu erden. Hab was gegessen. Und noch was. Und noch was 😉 . Bis ich irgendwann gemerkt habe, dass ich mich gegen mich selbst wehre. Gegen mein Nicht-Loslassen-Können. Als ich das Akzeptieren konnte, mich sozusagen meinem eigenen Widerstand ergeben konnte, wurde es einfach. Ich habe mich für einen Spaziergang entschieden. Durch die Natur zu laufen, hilft mir immer, zur Ruhe zu kommen. Und konnte danach dann auch ruhiger liegen. Und einfach schauen & lauschen. Dabei wurde mir so richtig bewusst, wie oft ich mich doch sonst genau davon, von mir selbst, ablenke. Und welche Ansprüche ich doch an mich habe. Perfekt zu sein. Dinge zu tun. Etwas zu schaffen. Meine eigenen Pläne voranzubringen. Dabei muss ich doch einfach nur SEIN. Mehr braucht es nicht. Sein. Mir & allem um mich (was ja ein Teil von mir ist) lauschen, zuzusehen. Und der Freude, der Liebe folgen.

Der Tag hat mir total gut getan & ich hätte gern am nächsten Morgen einfach weitergemacht. Da ich aber auch das Rohkost-Café anbieten wollte (was mir wahrhaftig FREUDE bereitet), hab ich es gelassen. Trotz der Kürze hat mich diese Aktion wiederum ein ganzes Stück zu mir zurück gebracht. In den Tagen danach habe ich mich so viel deutlicher als zuvor wahrgenommen.

Da das Leben mich ab Ende dieser Woche (wenn du dies hier liest also ab heute 🙂 ) mit einem weiteren Stück Freiheit beschenkt – die Zeit des Wwoofens an diesem Ort ist vorbei, der Bau des Labyrinths für den Moment abgeschlossen, die Tochter noch beim Papa zu Besuch & der nächste Housesit beginnt erst am 10. Mai -, habe ich mich entschieden, die Gelegenheit zu nutzen & mehrere Tage allein draußen im Wald zu verbringen. Ohne Internet, ohne Strom. Ich hab ein bisschen was vorbereitet für den Blog, doch es wird danach wahrscheinlich hier & auch bei Facebook, Instagram & Co ein paar Tage lang ruhiger sein, aber das kennst du ja schon von mir. 😉

Bis dahin genieße ich, wiederum etwas bewusster, die alltäglichen Momente der Stille in den momentan vollen Tagen (an denen ich versucht bin, doch mehr zu tun, als mein Bauchgefühl es möchte. Um so manches fertigzustellen für Kund*innen & andere Mitmenschen-seelen. Ich übe noch, da auch in solchen Situationen manchmal nein zu sagen. Andere zu enttäuschen, um mir selbst treu zu bleiben. 😉 )

Das war jetzt viel für heute – danke dir für’s Lesen <3 . Ich freu mich, deine Gedanken dazu zu hören. Verbringst du bewusste Zeit in Stille, ohne Ablenkung, nur Seiend? Wie verbringst du Zeit ganz bewusst mit DIR?